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Prof. Dr. Klaus F. Röhl

Grundlagen der Methodenlehre II:
Rechtspraxis, Auslegungsmethoden, Kontext des Rechts

Erstveröffentlichung: 04. Februar 2013 


 

Methodenlehre und Rechtspraxis

  1. Die These vom Theorie-Praxis-Bruch
  2. Die Konstitution des Rechtsfalls
  3. Herstellung und Darstellung juristischer Entscheidungen
  4. Die juristische Methode als Qualitätsstandard

Auslegungsmethoden

  1. Semantische Auslegung: Pluralität der Methoden und Methodenwahl
    1. Die Standardmethoden der Auslegung
    2. Das Problem der Methodenwahl
  2. Methoden zur Konkretisierung „weicher" Rechtsnormen
    1. Theorie der juristischen Argumentation
    2. Abwägung als subsidiäre Methode
    3. Abwägung zur Einzelfallentscheidung und zur Rechtsgewinnung
    4. Entscheidungsregeln und Relevanzregeln
    5. Abwägungsregeln
    6. Die typologische Methode

Recht im Kontext

  1. Zur Relevanz von Kontextwissen
  2. Falltatsachen und Normtatsachen
  3. Alltagstheorien und Berufserfahrung
  4. Rezepte der postmodernen Rechtstheorie

Bibliographie

 

Methodenlehre und Rechtspraxis

I. Die These vom Theorie-Praxis-Bruch

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II. Die Konstitution des Rechtsfalls[3]

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III. Herstellung und Darstellung juristischer Entscheidungen

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IV. Die juristische Methode als Qualitätsstandard

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Auslegungsmethoden

I. Semantische Auslegung: Pluralität der Methoden und Methodenwahl

1) Die Standardmethoden der Auslegung

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2) Das Problem der Methodenwahl

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II. Methoden zur Konkretisierung „weicher" Rechtsnormen

Theorie der juristischen Argumentation

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2) Abwägung als subsidiäre Methode

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3) Abwägung zur Einzelfallentscheidung und zur Rechtsgewinnung

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4) Entscheidungsregeln und Relevanzregeln

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5) Abwägungsregeln

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6) Die typologische Methode

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Recht im Kontext

I. Zur Relevanz von Kontextwissen

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II. Falltatsachen und Normtatsachen

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III. Alltagstheorien und Berufserfahrung

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IV. Rezepte der postmodernen Rechtstheorie

70

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73

 

Bibliographie

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[1] Ein Stimmregister bei Christian Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, 2007, 130. Zahlreiche Beiträge zum Theorie-Praxis-Bruch bietet das Sonderheft "Juristische Methodenlehre" = Heft 2-3 der Zeitschrift für Rechtstheorie Bd. 32, 2001, hg. von Werner Krawietz und Martin Morlok. Es handelt sich um Beiträge zu einer im Oktober 2000 veranstalteten Tagung in Hagen. Sie sollte den Start für ein Forschungsprojekt bilden, das die in der juristischen Praxis verwendeten Argumentationsweisen empirisch erheben sollte. Das Projekt unter der Leitung von Martin Morlok hat jedoch nicht zu einer abschließenden und zusammenfassenden Veröffentlichung geführt. Immerhin sind aus dem Projekt zwei wichtige Dissertationen entstanden, nämlich Agnes Launhardt, Topik und Rhetorische Rechtstheorie, Eine Untersuchung zu Rezeption und Relevanz der Rechtstheorie Theodor Viehwegs, 2010, sowie Peter Stegmaier, Wissen, was Recht ist, Richterliche Rechtspraxis aus wissenssoziologisch-ethnografischer Sicht, 2009.

[2] Die Prognose Ladeurs (Computerkultur und Evolution der Methodendiskussion in der Rechtswissenschaft, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 74, 1988, 218-238, S. 237, Fn. 114), wegen des Zerfalls der Kontinuität und Ordnung stiftenden Erfahrung "werde die Orientierungsfunktion der Präzendenzfälle für die Rechtsprechung an Bedeutung verlieren, ist bisher nicht eingetroffen.

[3] Nach dem Titel des Buches von Joachim Hruschka, Die Konstitution des Rechtsfalles, Studien zum Verhältnis von Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung, 1965.

[4] Aus wissenschaftstheoretischer Sicht wird die Sachverhaltsfeststellung von Arne Upmeier, Fakten im Recht, 2010, analysiert. Die Untersuchung bestätigt, was im Grund bekannt ist, dass wir nämlich auch bei der Faktenermittlung auf eine Referenzbeziehung zwischen Sprache und realer Welt verzichten müssen mit der Folge, "dass beim Gang von einem zeitlich-räumlichen Geschehen zu dessen Formulierung im Tatbestand des Urteils auf jeder Übetragungsstufe kreativ-konstruktionale Elemente eine wesentliche und nicht eliminierbare Rolle spielen" (S. 136). Methodische Anleitungen ergeben sich daraus aber nicht.

[5] Auch das in der Wissenschaftstheorie geläufige Begriffspaar Entdeckungszusammenhang (context of discovery) und Begründungszusammenhang (context of justification) wird von einigen herangezogen. Es stammt von Hans Reichenbach (Experience and Prediction, 1938). Reichenbach sah im Entdeckungszusammenhang einen psychischen Prozess, der nicht Gegenstand der Erkentnistheorie sein kann. Das war auch die Ansicht Poppers. Der englische Titel seiner "Logik der Forschung" - The Logic of Scientific Discovery - ist insofern irreführend, denn gibt es die Gegenvorstellung einer logic of discovery, die Vorstellung nämlich, dass auch die Entdeckung neuer Erkenntnisse methodisch angeleitet sein kann. Interessanter ist die Kritik von Thomas S. Kuhn (Thomas S. Kuhn, Logic of Discovery or Psychology of Research, in: Imre Lakatos/Alan Musgrave (Hg.), Criticism and the Growth of Knowledge, Proceedings of the International Colloquium in the Philosophy of Science, London, 1965, Cambridge, UK 1970, 1-23, S. 21ff), der Popper zwar darin zustimmt, dass individualpsychologische Antriebe methodisch irrelevant seien, der aber geltend macht, dass die sich in einer Wissenschaftlergruppe entwickelnden gemeinsamen Einstellungen und die moralischen Imperative der scientific community durchaus in Betracht gezogen werden müssten. Das Begriffspaar wird ausführlich rezipiert von Christian Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, 2007, 457 ff.
Das Begriffspaar findet als Genesis und Geltung auch in der Rechtsphilosophie Verwendung, um deutlich zu machen, dass das Faktum der Entstehung einer Rechtsnorm deren Wert und Geltung nicht direkt begründen kann. Dabei geht es um eine Erscheinungsform der Differenz von Sein und Sollen.
Für die Annahme, dass auch die Entdeckung juristischer Entscheidungen methodisch angeleitet werden könne, beruft man sich in der Rechtstheorie gelegentlich auf den von Peirce eingeführten Gedanken der Abduktion; vgl dazu Fn. 10.
Der Entdeckungszusammenhang wissenschaftlicher Ergebnisse und die Herstellung juristischer Entscheidungen sind schwer vergleichbar. Wissenschaftler suchen prinzipiell nach neuen Ideen, während Juristen nach vorhandenen Entscheidungsmaßstäben Ausschau halten. Wissenschaftler können von ihrer Erfindungsgabe recht ungebunden Gebrauch machen, während juristische Entscheidungen in einem geregelten Verfahren hergestellt werden. Zwar erfolgt technisch die Ausformulierung des Gerichtsurteils in der Regel erst nach Abschluss des Verfahrens. Aber es wäre falsch, die beiden Aspekte als zeitlich aufeinander folgende Phasen zu verstehen.

[6] Einen Problemabriss mit Literaturnachweisen gibt Katharina Sobota (Gräfin von Schlieffen), Sachlichkeit, rhetorische Kunst der Juristen, 1990, S. 13-22.

[7] Psychologisch gemeint war dagegen die gleichfalls 1929 von Hutcheson geäußerte Ansicht, wonach die im Einzelfall getroffene Entscheidung des Richters aus der Intuition (hunch) zu erklären sei. Die Bezugnahme auf Normen oder Präjudizien sei nur eine nachträgliche Rationalisierung, die für die Entstehung der Entscheidung ohne Bedeutung sei (Joseph C. Hutcheson, The Judgment Intuitive: The Function of the 'Hunch' in Judicial Decision, Cornell Law Quarterly 14, 1929, 274-288). Dickinson hat ihm alsbald widersprochen mit der These, dass Richter während ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit die im Recht angelegten Konzepte verinnerlichten, so dass sie sich selbst an diese Normen gebunden fühlten. Er zweifelte nicht, dass Gesetze und Präjudizen für die Herstellung der richterlichen Entscheidung beträchtliche Wirkung entfalteten. Allerdings ließ er die Frage offen, in welchem Verhältnis dieses rule-element zu dem Beitrag steht, der aus der Richterpersönlichkeit in die Entscheidung einfließt (John Dickinson, Legal Rules: Their Function in the Process of Decision, University of Pennsylvania Law Review 79, 1931, 833-868, S. 839f.). Auch der als Regelskeptiker bekannte Llewellyn war der Überzeugung, dass die Gemeinsamkeiten im Handeln und Denken der Juristen weit wichtiger seien als die jeweilige Richterpersönlichkeit. Und H. L. A. Hart meinte, man dürfe die Frage nach der Wirksamkeit einer Regel nicht mit dem psychologischen Prozess verwechseln, den die Person, bevor sie handelte, durchlief. "Der wichtigste Faktor aber, der uns anzeigt, daß wir beim Handeln eine Regel angewandt haben, ist der, daß, wenn unser Verhalten angezweifelt wird, wir es durch Rückbeziehung auf die Regel rechtfertigen können." (1973, 195)

[8] Walter R. Schluep, Recht und Intuition, in: Martina Caroni u. a. (Hg.), Festschrift für Paul Richli, Zürich, St. Gallen: Dike, 2011, 221-255, zeigt die Rationalitätsdefizite der gängigen Auslegungslehren auf, kommt über ein "Bekenntnis zur Bedeutung intuitiver Wahrnehmung des Richtigen" nicht hinaus. Hinweise auf die aktuelle amerikanische Diskussion bei Timothy P. O'Neill, Law and "The Argumentative Theory", Oregon Law Review , 2012, SSRN: http://ssrn.com/abstract=1988445.

[9] Man könnte hier das von Glöckner herausgearbeitete Parallel-Constraint-Satisfaction-Modell der Entscheidung heranziehen. Allerdings befasst es sich nur mit der Sachverhaltsfeststellung. (Andreas Glöckner, Zur Rolle intuitiver und bewusster Prozesse bei rechtlichen Entscheidungen, 2008, http://www.mpg.de/317987/forschungsSchwerpunkt.) Auch ein Ausflug in die Wissenssoziologie von Pierre Bourdieu bietet sich an (Entwurf einer Theorie der Praxis, 1979; Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, 1984). Von Bourdieu kann man erfahren, dass eine gleichförmige Praxis nicht unbedingt aus der gehorsamen Erfüllung von Regeln hervorgeht. Bourdieu findet eine Ursache für Regelmäßigkeiten und abgestimmtes Verhalten vielmehr in einem gruppen- oder klassenspezifischen "Habitus". In diese Richtung gehen Martin Morlok/Ralf Kölbel, Rechtspraxis und Habitus, Rechtstheorie 32, 2001, 289-304.

[10] Positiver Klaus Lüderssen, Erfahrung als Rechtsquelle. Abduktion und Falsifikation von Hypothesen im juristischen Entscheidungsprozess. 1972; Arthur Kaufmann, Die Rolle der Abduktion als Rechtsgewinnungsverfahren, in: Guido Britz/Heinz Müller-Dietz (Hg.), Grundfragen staatlichen Strafens, Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag, 2001, 349-360; Ralf Kölbel/Thorsten Berndt/Peter Stegmaier, Abduktion in der justiziellen Entscheidungspraxis, Rechtstheorie 37, 2006, 85-108. Zurückhaltend Robert Alexy, Arthur Kaufmanns Theorie der Rechtsgewinnung, ARSP Beiheft 100, 2005, 47-66.

[11] Rüdiger Lautmann, Justiz - die stille Gewalt, Teilnehmende Beobachtung und entscheidungssoziologische Analyse, 1972; Stephan Wolff/Hermann Müller, Kompetente Skepsis, Eine konservationsanalytische Untersuchung zur Glaubwürdigkeit in Strafverfahren, 1997; Peter Stegmaier, Wissen, was Recht ist, Richterliche Rechtspraxis aus wissenssoziologisch-ethnografischer Sicht, Wiesbaden 2009. Die genannten Untersuchungen behandeln ganz überwiegend die Sachverhaltsfeststellung. Mit der Strafzumessung befasst sich Raimund Hassemer, Einige empirische Ergebnisse zum Unterschied zwischen der Herstellung und der Darstellung richterlicher Sanktionsentscheidungen, Monatsschrift für Kriminologie 66 , 1983, 26-39.

[12] Gabi Löschper (Bausteine für eine psychologische Theorie richterlichen Urteilens, 1999) befasst sich nicht eigentlich mit psychologischen, sondern mit diskursanalytischen Theorien richterlichen Urteilens und reproduziert umständlich Naheliegendes oder gar Selbstverständliches.

[13] Einen Anfang machen Mark Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht, Züricher Dissertation (online verfügbar); Gerhard Wagner, Heuristiken und Urteilsverzerrungen in Konfliktsituationen, Zeitschrift für Zivilprozess 121, 2008, 5-39; Hugo Mercier/Dan Sperber, Why Do Humans Reason? Arguments for an Argumentative Theory, Behavioral and Brain Sciences 34, 2011, 57-74.

[14] Katharina Sobota (Gräfin von Schlieffen), Sachlichkeit, rhetorische Kunst der Juristen, 1990, 119 f., 147 f.

[15] Zur Methodenlehre als Qualitätsstandard Wolfgang Hoffmann-Riem, Methoden einer anwendungsorientierten Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Eberhard Schmidt-Aßmann u. a. (Hg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, 2004, 9-72, S. 15 f.

[16] Friedrich-Christian Schroeder hat mit guten Gründen die Annahme zurückgewiesen, die so genannte normative Auslegung sei als fünfte neben die vier Standardmethoden getreten (Die normative Auslegung, JZ 2011, 187-194).

[17] Anders Hassemer. Er betont aber zu kurzschlüssig, aus der "Ergebnisdifferenz" bei der Anwendung der verschiedenen Methoden und dem Fehlen einer Hierarchie zwischen den Auslegungsregeln folge die Freiheit der Methodenwahl. Der Kurzschluss beruht in erster Linie darauf, dass Hassemer die "objektiv-teleologische Auslegung" mit den anderen Methoden auf eine Stufe stellt, dass er den Kanon der Auslegungsmethoden für beliebig vermehrbar hält und schließlich, dass er differierende Ergebnisse der verschiedenen Methoden nicht als Argumente, sondern als Widerspruch behandelt. (Winfried Hassemer, Juristische Methodenlehre und richterliche Pragmatik, Rechtstheorie 39, 2008, 1-22, S. 10ff.)

[18] Eine klassische Formulierung dieses Gedankens bei Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 12. Aufl. 1969, 254f. Dazu ausführlich Erhard Kausch, Kann das Gesetz klüger sein als der Gesetzgeber? - Überlegungen zu Gustav Radbruchs Auslegungstheorie, in: Wolfgang Baumann u. a. (Hg.), Gesetz, Recht, Rechtsgeschichte, Festschrift für Gerhard Otte, 2005, S. 165-183.

[19] Günter Hirsch, Zwischenruf: Der Richter wird's schon richten, ZRP 2006, 161; ders., Rechtsstaat - Richterstaat, FAZ vom 30.7.2007, S. 8; ders., Auf dem Weg zum Richterstaat?, JZ 2007, 853; kritisch dazu Christoph Möllers, FAZ vom 26.10.2006, und Bernd Rüthers, JZ 2007, 556; vermittelnd Hassemer, Gesetzesbindung und Methodenlehre, ZRP 2007, 213.

[20] Joachim Rückert, Abwägung - die juristische Karriere eines unjuristischen Begriffs, Juristenzeitung 2011, 913-923, 921.

[21] Christian Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, 2007, verwendet ein langes Kapitel (S. 34-95) auf die Durchsicht der Abgrenzungsversuche mit dem Ergebnis, dass eine Grenzziehung bisher nicht gelungen sei.

[22] Die Entwicklung des Abwägungsgedankens seit Beginn des 20. Jahrhunderts schildert Joachim Rückert, Abwägung, Juristenzeitung, 2011, 913-923.

[23] Grundlegend Bernhard Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986. Sehr kritisch zur Abwägung im Verfassungsrecht Juan Antonio García Amado, Abwägung versus normative Auslegung?, Kritik der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Mittel juristischer Methodik, Rechtstheorie, 1-42. Amado macht geltend, wenn Verfassunggerichte von Abwägung sprächen, wendeten sie tatsächlich unter der Hand die geläufigen Auslegungsmethoden an. Das Ergebnis einer Awägung werde in erster Linie durch eine teleologische Auslegung in Frage stehender Gesetze bestimmt.

[24] Neuestens Wilfried Erbguth/Winfried Kluth (Hg.), Planungsrecht in der gerichtlichen Kontrolle, Berlin 2012.

[25] Ansätze bei: Lothar Michael, Methodenfragen der Abwägungslehre, JöR 48, 2000, 169-203; Matthias Klatt/Johannes Schmidt, Spielräume im öffentlichen Recht, Zur Abwägungslehre der Prinzipientheorie, 2010.

[26] Z. B. Ralph Christensen/Andreas Fischer-Lescano, Das Ganze des Rechts, 2007, S. 148 ff.

[27] Klatt/Schmidt (Spielräume im öffentlichen Recht, 2010) versuchen, die Probleme durch Formalisierung auf der Grundlage der Prinzipientheorie Alexys in den Griff zu bekommen.

[28] Ekkehard Hofmann, Abwägung im Recht, 2007; ders., Formale Sprachen im Recht, in: Kent D. Lerch (Hg.), Recht vermitteln, 2005, 289-320. Speziell im Hinblick auf Entscheidungen unter empirischer Ungewissheit versuchen Klatt und Schmidt die Abwägung zu formalisieren (Matthias Klatt/Johannes Schmidt, Spielräume im öffentlichen Recht, 2010).

[29] Zahlen zur Häufigkeit der Abwägung in Entscheidungen des Bundesverfassunsgerichts bei Joachim Rückert, Abwägung - die juristische Karriere eines unjuristischen Begriffs, Juristenzeitung 2011, 913-923, 915.

[30] Der zeitgenössische Gegenspieler Hecks war dessen Greifswalder Fakultätskollege Ernst Stampe, der eine abwägende "Sozialjurisprudenz" zur Methode machen wolle; dazu Joachim Rückert, Abwägung - die juristische Karriere eines unjuristischen Begriffs, Juristenzeitung 2011, 913-923, 914 ff.

[31] "Unter Bedingungen höherer Komplexität der Rechtskonflikte … können die Canones der traditionellen Auslegungslehre … allein nicht mehr als überzeugend angesehen werden." (Karl-Heinz Ladeur/Ino Augsberg, Auslegungsparadoxien, Rechtstheorie 36, 2005, 143-184, 176).

[32] Die Differenzierung zwischen Entscheidungsregeln und Relevanzregeln übernehme ich von Ulfried Neumann. Sie findet sich erstmals in dem Aufsatz "Die Abgrenzung von Rechtsfrage und Tatfrage und das Problem des revisionsgerichtlichen Augenscheinsbeweises" (GA 1988, 387-402, S. 398ff). Aufgenommen ist sie bei Ellscheid im ARSP-Beiheft 45, 1992, S. 23, 33ff. Neumann ist auf die Abgrenzung in seinen Beiträgen zur den Festschriften für Lutz Meyer-Goßner (2001, dort S. 683, 701ff.) und Winfried Hassemer (2010, dort S. 143, 156) zurückgekommen.

[33] Näher zu diesem Problemkreis Gerhard Otte, Komparative Sätze im Recht. Zur Logik eines beweglichen Systems, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Bd. 2, 1972, 301-320.

[34] BAGE 30, 163/169, E 84, 106; BSGE 45, 199, E 83, 246; BFHE 144, 225; E 188, 101; näher Rolf Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988; Wolfgang Hromadka, Arbeitnehmerbegriff und Arbeitsrecht, NZA 1997, 569-580; Kerstin Reiserer/Anke Freckmann, Scheinselbständigkeit - heute noch ein schillernder Rechtsbegriff, NJW 2003, 180-185; Thomas Blanke, Die Auflösung des Arbeitnehmerbegriffs, KritJ 2003, 7-16 [www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/2003/20031Blanke_S_7.pdf].

[35] BVerfG (K), NJW 1996, 2643.

[36] Wie voraussetzungsvoll sich der Import empirischen Wissens auch in solchen Fällen gestaltet, beschreibt Niels Petersen (Braucht die Rechtswissenchaft eine empirische Wende?, Rechtstheorie 41, 2010, 435-455, S. 449 ff.).

[37] Rolf Bender, Die entscheidungsleitende Funktion "genereller" Rechtstatsachen, in: Norbert Achterberg (Hrsg.), Rechtsprechungslehre, 1986, 603; Hans Joachim Böhlk/Lutz Unterseher, Die Folgen der Folgenorientierung, JuS 1980, 323; Martina R. Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, 1994; dies., Die folgenorientierte Auslegung, JuS 1995, 480-484; Martin Hensche, Teleologische Begründungen in der juristischen Dogmatik, 1998; Gertrude Lübbe-Wolf, Rechtsfolgen und Realfolgen, 1981; Klaus Lüderssen, Erfahrung als Rechtsquelle, 1972; Klaus Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit? Auf der Suche nach den philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts, 3. Aufl., 2009; Gunther Teubner (Hg.), Entscheidungsfolgen als Rechtsgründe - folgenorientiertes Argumentieren in rechtsvergleichender Sicht, 1995; Thomas Wälde, Juristische Folgenorientierung, 1979.

[38] Einen guten Überblick über die Rechtslage, auch in England und den USA, über die Versuche der Obergerichte, informell Kontextwissen aufzunehmen sowie ausführliche Literaturhinweise gibt Felix Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, 2010, 392-430. Maultzsch sieht bei den Obergerichten eine gewisse Tendenz, "normbildende Judikate" auf eine breitere Informationsgrundlage zu stellen.

[39] Niklas Luhmann, Funktionale Methode und juristische Entscheidung, AöR 94, 1969, 1 = ders., Ausdifferenzierung des Rechts, 1981, S. 273; ders., Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974.

[40] Prominentes Beispiel war das Verfahren im Lebach-Fall, in dem sozialwissenschaftliche Sachverständige bemüht wurden, um die Möglichkeit der Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten eines Mittäters durch eine Fernsehsendung über den Tathergang zu untersuchen (BVerfGE 35, 202 ff). Allgemeiner zum Thema Klaus Jürgen Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts, 1971; Karl Korinek, Die Tatsachenermittlung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, in: Klaus Stern, Hrsg., 40 Jahre Grundgesetz, 1990, 107-118; Brun- Otto Bryde, Tatsachenfeststellungen und soziale Wirklichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht. In: Peter Badura und Horst Dreier (Hg.): Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, 533-561. Für die USA vgl. Oliver Lepsius, Sozialwissenschaften im Verfassungsrecht - Amerika als Vorbild?, Juristenzeitung 2005, 1-13. Müller/Christensen meinen, das Bundesverfassungsgericht habe die von ihnen so genannte Normbereichsanalyse in seinen Methodenkanon aufgenommen. Dazu haben sie eine lange Reihe von Beispielen zusammengestellt (Juristische Methodik, 10. Aufl. 2009, Rn. 67e).

[41] Florian Knauer, Juristische Methodenlehre 2.0? Der Wandel der juristischen Publikationsformate und sein Einfluss auf die juristische Methodenlehre, in: Rechtstheorie 40, 2009, 379-403, S. 397-400.

[42] Klaus F. Röhl, Ressort- und Berichtsforschung als Datenquelle, in: Matthias Mahlmann (Hg.), Gesellschaft und Gerechtigkeit, Festschrift für Hubert Rottleuthner, 2011, 357-393.

[43] Ralph Christensen/Andreas Fischer-Lescano, Das Ganze des Rechts, 2007, 174.

[44] A. a. O. S. 68.

[45] Diesen Eindruck erweckt Ladeur, wenn er schreibt, der "Bereich der horizontalen Verkettung von Möglichkeiten und Zwängen generiert über einen distribuierten a-zentrischen Prozeß ein nicht-hierarchisches Wissen, das über eine historische Dynamik der Selektivität einen ‚Prozeß des Zusammenpassens' von Entscheidugen enthält, der seine eigenen Richtigkeitsstandards erzeugt" (Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft, 1995, S. 35 f.). Mit dem Konzept der "regulierten Selbstregulierung" möchte man in Verwaltungen und privaten Organisations- und Verfahrensregularien eine Art gemeinwohlorientierte Selbstkontrolle einbauen. Dazu etwa das Beiheft 4 (2001) der Zeitschrift "Die Verwaltung" mit dem Titel "Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates", dort u. a. Karl-Heinz Ladeur, Die Regulierung der Selbstregulierung und die Herausbildung einer "Logik der Netzwerke" (S. 59-77).